Erleuchtung – Geht dir ein Licht auf?

Erleuchtung – Geht dir ein Licht auf?

Lesezeit ca.: 7 Minuten

Zuletzt aktualisiert vor 6 Monaten von Henryk

Ich glaube, Erleuchtung meint, sich seiner Finsternisse bewusst zu sein. Diese anzunehmen und liebevoll zu umarmen … das war es, was Heilige und Mystikerinnen ausmachte. Das versöhnt sein mit der gefühlten eigenen Schwachheit bzw. Unvollkommenheit. Wenn es weder richtig noch falsch (gut / schlecht) gibt, dann gibt es keine Schwäche und Unvollkommenheit … 🤔.

Und? Schon erleuchtet?
Image by Pham Trung Kien from Pixabay

Erleuchtung – ankommen im Selbst?

Ein sicher sein, zufrieden sein, versöhnt sein mit sich selbst. Vollkommene Selbstannahme. Alles ist gut, alles ist so in Ordnung, wie es eben ist, kein Verbesserungs- oder Optimierungsbedarf. Kein noch heiliger werden müssen … immer bezogen auf den Moment, auf das Jetzt, auf das Hier. Keine Reue, keine Schuldgefühle, keine Sorgen, keine Ängste. Eine heilsame Zufriedenheit und ein In-sich-Ruhen. Präsenz. Kein Warten oder Hoffen auf eine ungewisse Zukunft. Kein Nachtrauern oder Schwelgen in der Vergangenheit.

Erleuchtung ist kein Status, den du einmal hast, wie eine Art Besitz. Sondern ein sich immer wieder einlassen, ein offen sein für die Erfahrung des Jetzt. Erleuchtung ist Nichtwissen und damit zufrieden sein. Zur gleichen Zeit ist es ein Unterwegssein, ein entspanntes, neugieriges, fröhliches, permanentes Suchen. Ein tägliches Fragen.

Was bedeutet es zu leben?

Ein erfüllt sein, auch ohne Antworten. Ein sich hingeben an den Moment, den Menschen, das Geschehen … ein dauerhaftes Streben nach Perfektion* und gleichzeitig Dankbarkeit für das Erreichte. Ein glückliches Genießen des Geschenkten. Ein im Fluss des Lebens sein, sich tragen lassen. Kein Kämpfen, kein angestrengtes Hantieren und Manipulieren. Ein dankbares Nehmen und im selben Moment wieder loslassen. Freiheit vom Haben, Freiheit vom Müssen. Vertrauen in das Leben, in das Universum, in Gott, in Wu-Wei. Ankommen im Jetzt, jeden Schritt, jeden Abschnitt genießen, den Weg feiern, nicht erst das Ziel.

*) nicht Perfektionismus!

Lebensbejahender „Weltverbesserer“

Ziel ALLER spirituellen Wege ist das Leben selbst. In jedem Augenblick offenbart sich die erste Wirklichkeit. Es geht darum „Mensch zu sein“ mit allen Möglichkeiten und Anlagen, die wir entfalten können.

Spiritualität vollzieht sich im Alltag, hier, und nur HIER, in DIESEM Augenblick, ist der Austausch von Göttlichem und Menschlichem möglich. Wer seinen Erfahrungsweg bis zum Ende geht, kommt wieder im Alltäglichen an! Joseph Beuys hat es so formuliert:

„Das Mysterium findet im Hauptbahnhof statt“.

Wahre Mystik zeigt sich im Vollzug des Lebens, sie ist weltbejahend und körperbejahend. Sie bejaht alles so, wie es gerade ist. Den geschichtlichen Prozess, das momentane Geschehen, in welche sie als Teil des Ganzen eingebunden ist. Kein Warten auf ein besseres Jenseits.

Unio Mystica, Satori, mystische Hochzeit, Hochzeit Christi, Einswerdung mit Gott, Alleinheit*… ist Leben und Sterben zugleich. Die unzertrennliche Einheit aus Licht und Dunkelheit werden als Bestandteil des Lebens in der Gegenwart erfahren. Diese Freiheit von allen Anhaftungen, Ego, Besitzansprüchen und Wünschen ist schaffend und gebärend, somit ihrem tiefsten Wesen nach lebensbejahend.

Das lässt auch den Mystiker und die Mystikerin selbst schöpferisch und lebensbejahend werden. Aus diesem Einheitserlebnis leitet sich seine Verantwortung für die Welt ab.


Nach Willgis Jäger, Auszug aus „Jenseits von Wort und Weihrauch“ (connection special 46 – S. 15 ff. – 1/2000) So veröffentlicht auf: Die Bedeutung der Dan grade (Lerne-Kämpfen.de)

Alles genießen und nicht daran festklammern. Das Ende jeder Sucht und jeder Suche. Angekommen sein. Das Ende der Unvollkommenheit. Ende des Kämpfens. Auflösung des Egos. Erfüllt sein, satt sein, Frieden, Harmonie, Erwachen …❤️ Erkennen der Alleinheit. Ich bin du.

„Gibt es ein Ich – gibt es einen Gegner. Gibt es einen Gegner – gibt es Krieg!„

„Die Kunst zu siegen, ohne zu kämpfen“ – Pascal Faultiot – 1981

Leben im Wandel

Gleichzeitig bin ich vollkommen, in meiner Einzigartigkeit. Alles ist und ich bin. In der Bibel stellt sich Gott vor: „Ich bin, der ich bin, ich werde sein, der ich sein werde!“ *. Er legt sich nicht fest. Er lässt es bewusst offen, er „weiß“ selbst noch nicht, wer er sein wird, weil er ja unendlich ist und sich beständig verändert. Wenn Leben Entwicklung ist, dann entwickelt sich Gott ebenso. Gott ist und wird immer wieder neu. Gott ist nicht „fertig“. Ein ständiges Entstehen und Vergehen und darin ist Gott vollkommen. Der Aufruf an uns, ebenso in ständigem Werden zu sein. Also kann die Antwort auf die Frage: „Wer, bist du?“ Immer wieder nur „Ich bin und ich werde“ lauten.

*) 2. Mo 3,14 kann aus dem Hebräischen auch wie folgt übersetzt werden: „Ich werde, was ich zu werden wähle.“ „Ich erschaffe, was immer ich erschaffe“ „Ich bin der Existierende/die Existenz.“ „Ich werde mich als alles erweisen, was ich sein werde“ „Ich werde sein, weil ich sein werde“ „Ich werde werden, was mir gefällt.“ „Ich werde mich erweisen, als was auch immer ich mich erweisen werde.“

Quelle https://en.wikipedia.org/wiki/I_Am_that_I_Am

Erleuchtung vs. Wissen

Die meisten Menschen denken bei Erleuchtung an: etwas verstehen. Das mag sicher ebenso zutreffen. Für mich bedeutet es, einen zeitlich begrenzten Wahrnehmungszustand zu erreichen. Sobald er vorbei ist, lasse ich es dankbar gehen, statt zu versuchen es krampfhaft festzuhalten. Es kommt oft dann, wenn du es am wenigsten erwartest. Wenn du ganz versinkst, in dem, was du tust – FLOW. Du wirst zu dem, was tu tust.

Du bist.

Der Unterschied zwischen Wissen und Weisheit. Wissen ist rein mechanisch wie Google, Wikipedia oder ein Lexikon. Weisheit dagegen bedeutet aus Wissen zu handeln. Zumindest sehen es die Samurai so …

Der typische Samurai nannte einen belesenen Experten einen nach Buch riechender Säufer. Er vergleicht das Lernen mit stinkendem Gemüse, das ewig gekocht werden muss, bevor man es runterbekommt. Ein Mann, der wenig gelesen hat, gleicht einem kleingeistigen Erbsenzähler und einer, der viel gelesen hat, einem engherzigen Spießer. Beide sind krass unangenehm. …

Bushido legte nur dann Wert auf Erkenntnis, wenn sie zur Erlangung von Weisheit führte und im Charakter des Lernenden sichtbar wird. Ein Kopfmensch galt daher so viel wie eine komfortable Maschine, die auf Wunsch Gedichte und Sprüche ausspuckte*. „Echtes“ Wissen hingegen sollte im Leben praktisch angewendet werden. „Wissen und Handeln sind ein und dasselbe.“


Nach: Bushido – The Soul of Japan – Inazo Nitobe 1905 – aus dem Englischen übertragen Henryk Hauptmann

Bushido – übersetzt als „Weg des Kriegers“: ungeschriebener Wertekodex der Samurai
*) Ich denke da an Alexa, Google Assistant, …

Flow … ist ein psychologischer Begriff, der von dem Psychologen Mihály Csíkszentmihályi geprägt wurde. Es beschreibt einen Zustand intensiver Konzentration und tiefen Engagements bei einer Aktivität. In diesem Zustand sind Menschen vollständig in ihre Handlungen vertieft und erleben ein Gefühl des Fließens und der Zufriedenheit. Charakteristisch für den Flow-Zustand sind das Verschmelzen von Handlung und Bewusstsein, das Verlieren des Zeitgefühls und das Überwinden von Herausforderungen, die dem individuellen Fähigkeitsniveau entsprechen. Du wirst zu dem, was du tust.

Dein Tun ist intrinsisch motivierend und bezieht sich auf die Art der Motivation, die von innen kommt. Diese basiert auf persönlichem Interesse, Neugierde und Befriedigung aus der Aktivität selbst, unabhängig von äußeren Belohnungen oder Anreizen.

Der Flow-Zustand tritt oft auf, wenn die Anforderungen einer Aufgabe und die individuellen Fähigkeiten im Einklang stehen. Also weder zu leicht noch zu schwer sind. Dieser Zustand wird als äußerst positiv und bereichernd erlebt und kann in verschiedenen Aktivitäten auftreten, sei es beim Sport, in der Arbeit, in der Kunst oder im Alltag.

Psychology Today – Understanding Flow

Erleuchtung geschieht im Alltag

Beim Kaffee kochen, auf dem Klo, beim Lesen, beim Spazieren gehen, beim Sex. Beim Riechen an einer Blume oder eines Gewürzes. Beim Gefühl des Windes oder einer Schneeflocke auf der Haut. Beim Biss in einen Apfel, beim Ausblick auf ein großartiges Panorama. Beim Lesen eines Gedichts oder Betrachten eines Gemäldes. Beim Laufen, beim Skifahren, beim Singen oder Schauspielern. Bei der Kata in der Kampfkunst, beim Duschen, beim Tauchen. Beim Blick in den Sternen übersäten Abendhimmel. Beim Halten oder Stillen eines Babys, bei der Beobachtung eines Kindes, beim Streicheln einer Katze. Während einer Massage oder in der Sauna …

„Gott findet sich auch mitten unter den Kochtöpfen“.

Theresa von Avila

Manchmal gleicht diese Er-fahrung einer Wunderkerze oder Streichholzflamme und ein andermal einem Flutlichtscheinwerfer im Stadion …

Wird der Mensch erst mit der Erleuchtung zum Menschen?

Es steht, Adam wurden die Augen aufgetan. Er hatte ein Satori. Er verstand: „Ich bin (wie) Gott“, gleichzeitig hatte er die Erkenntnis seiner eigenen Fähigkeit zum Bösen. Es ist ein Erwachen aus der unschuldigen, neugierigen Unbefangenheit eines Kindes zu einem bewussten Weg in die liebevolle Selbstannahme. Eine tiefe und friedliche Akzeptanz und Wertschätzung deiner einzigartigen Großartigkeit und aller deiner Finsternisse.

„Wenn du denkst, du bist erleuchtet, verbringe eine Woche mit deinen Eltern. Oder eine Stunde.“

Nach Eckhart Tolle – Eine neue Erde

Wenn du schläfst und träumst, spürst du nichts, sobald du erwachst, nimmst du alles wahr. Mit unserem ersten Erwachen werden wir Gott ebenbürtig. Aus der unbekümmerten Abhängigkeit und Symbiose des Heranwachsenden kommen wir in die (reifende) Selbstverantwortung. Aus dem Paradies der Fülle in die Glückseligkeit eines Schöpfers, mit allen Konsequenzen. Macht zu erschaffen und zu zerstören. Erweckung bringt aus einem undefinierten Teil der Masse ein: „Ich bin“ hervor. 🙏🏼 Vom intelligenten Säuger, zum Menschen. Vom unbewussten Teil des Ganzen zur Persönlichkeit. Das Erwachen des Egos.

Der gereifte Mensch sucht nun wieder die „bewusste“ (Rück-) Verbindung mit Gott, die Alleinheit. Ein tiefes Erkennen, welches über Worte hinausgeht. Satori ist wahr-nehmen.

Versuch einer Worterklärung:

Unio Mystica, Satori, mystische Hochzeit, Hochzeit Christi, Einswerdung mit Gott, Alleinheit…

Tiefstes, allumfassendes und ganzheitliches Bewusstsein, Intuition, bewusstes geistiges Erleben, unmittelbare Anschauung oder Hineinsehen, eine nichtdiskursive (sprachlos-handelnde) Form des Erkennens, bei klarem Selbstbewusstsein. Kein Erschaffen von Realitäten oder Bewusstsein durch Sprechen oder Denken, auf der Grundlage von Wissen (diskursiv).

Wie soll auch undenk- und unsagbares in erdachte Wortcontainer oder Bezeichnungen verpackt werden?

Sondern ein „HANDELN“ aus dem Erfahrenen, unabhängig vom kollektiven und individuellen Alltags-Wissen (bzw. dem Wissenschafts-Apparat). Jedoch ohne dies zu benutzen, um Macht auszuüben. Dies führt zu sogenannten „Sichtbarkeiten“ bzw. „Vergegenständlichungen“.


Vereinfacht: Wirklichkeiten erschaffen durch Handeln aus tiefer Intuition.


Siehe auch: Siegfried Jäger – 26.09.2006 – Theoretische und methodische Aspekte einer Kritischen Diskurs- und Dispositivanalyse

Also dann, drück aufs Knöpfchen 😉
Liebe Grüße dein Henryk

Dank …

… an dieser Stelle an meine liebe Freundin Candida Borst, für ihre Unterstützung beim Entstehen dieses Textes.

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